Musikalische Früherziehung mit Eiskönigin Elsa, Mozart und Schwanensee – Wie Du jetzt Dein Kind musikalisch bilden kannst
“Ich lass’ los, let it go…” , so dröhnte es lautstark aus dem Frühdienstzimmer, als ich den ersten Tag in meiner neuen Einrichtung für Happyjobber den Dienst antrat. Im Raum befanden sich mehrere Kinder, vertieft in kreatives Basteln, sowie ein jüngeres Kind, das auf dem Schoß der Erzieherin Trost erhielt, da ihm der Abschied vom Vater schwerfiel. Ich stellte mich vor, wir unterhielten uns und während des gesamten Gesprächs lief in voller Lautstärke die Kinderlieder-CD.
“Entschuldigung?”, fragte ich höflich, “Wäre es möglich, dass wir die Musik etwas leiser drehen? Ich habe das Gefühl, dass keines der Kinder zuhört.” – “Ach, nein. Das ist so eine schöne Atmosphäre, wenn die Kinder hier ankommen und dann ist es nicht so ruhig.”
Wer den Alltag mit Kindern kennt, ob als Elternteil, Pädagoge oder manchmal auch an der Ladenkasse, kann nachvollziehen, dass Momente der Ruhe besonders geschätzt sind. Dieses Erlebnis war der Anlass, mich verstärkt mit der musikalischen Förderung auseinanderzusetzen und dieser Kollegin, dem Erzieherpersonal und Eltern Tipps auf den Weg zu geben zum Thema:
Wie Früherziehung in der Musik funktioniert und wie Du es jetzt ganz leicht umsetzen kannst!
Was ist musikalische Früherziehung?
Unter musikalischer Früherziehung versteht man im Allgemeinen die unterrichtsorientierte Förderung durch einen Lehrer und das schulische Aneignen von Musik. Im Allgemeinen wird dabei eine Begabung vorausgesetzt und Musik wird als Leistungserrungenschaft verstanden. In Aufführungen, Wettbewerben und auch auf medialen Wegen vergleichen sich dabei Musiker untereinander. Auch im schulischen Bereich erhält der Einzelne im Fach Musik eine Schulnotenbewertung.
In meiner Beschreibung berufe ich mich in diesem Zusammenhang vor allem auf den Begriff der Erziehung, der – losgelöst von der Musik – beinhaltet, dass durch geeignete Methoden, die ein nachweisbares, wissenschaftlich belegtes Ergebnis als Grundlage mit sich führen, ein zielgerichtetes Anlernen stattfindet. Voraussetzung ist dabei stets eine Person, eine Gruppe oder ein gesellschaftliches Umfeld, die mit ihren Normen, Werten und vor allem ihrer Kompetenz dem Lernenden voraus ist.
Was ist Bildung?
Unter dem Begriff der Bildung verstehe ich den Erwerb sowie den Weg dahin, auf dem sich jeder von uns einen Inhalt aneignet. Aus meiner Erfahrung sehe ich ihn als einen Prozess, bei dem nicht durch gezieltes Einwirken Kompetenzen angelernt werden, sondern Bildung noch darüber hinausgeht.
Es besteht zwischen dem Vermittler und dem Lernenden kein grundsätzliches Gefälle aus Lehrer und Lernender, sondern die Rahmenbedingungen sind ansprechend und ermöglichen dem Individuum, sich selbstbestimmt zu bewegen. Daher besteht nicht die Voraussetzung, dass der Bildungsbeauftragte zwingend mehr Kompetenz und ein höheres Wissen mitbringen sollte. Vielmehr steht die Interaktion mit der Thematik im Vordergrund, die Auseinandersetzung mit, über und zwischen den Interagierenden.
Was ist Musik?
Diese Frage beschäftigt seit vielen Generationen Musiker, Wissenschaftler und auch so manchen Besucher zeitgenössischer Aufführungen. Aus der Physik betrachtet ist Musik Schwingung, Energie. Sie lässt sich auf die Tonhöhe eingrenzen, die wir wahrnehmen (Frequenzbereich 20 – 20.000 Hz), auf zeitlich-mathematische Struktur (Metriken, Formen, Rhythmen), auf Lautstärke (Schwelle zwischen Hören und Schmerz) und auf Klangfarben (auch Obertonspektren genannt) sowie auf Harmonie.
Für mich ist Musik mit einer Absicht und Organisation verbunden. Sie grenzt sich dadurch von einem Geräusch ab und ist mit der eigenen Hörerfahrung eng verbunden. Diese entwickelt sich bereits vor der Geburt und erweitert sich stetig. An dieser Stelle setzt die musikalische Frühbildung an.
Was ist musikalische Frühbildung?
Ausgehend von den Begrifflichkeiten entferne ich mich von der Erziehung zur Musik (Musikalische Früherziehung) und sehe die erste Begegnung mit Musik als Teil der Bildung. Musik ist in seiner Vielschichtigkeit, Emotionsverknüpfung und elementaren Notwendigkeit für unsere Existenz mehr als nur das Aneignen und Lernen. In ihr, mit ihr und über sie verstehen wir uns auf der Ebene einer Sprache, die über wissenschaftliche Nachweise hinausgeht. Neurologische Wissenschaftler beschäftigen sich seit vielen Jahren mit den Auswirkungen von musikalischer Begegnung, selbst vor unserer Geburt. Greifbar sind die Auswirkungen auf den Einzelnen jedoch nur selten erfasst.
Musik ist so individuell wie der Mensch selbst. Sie sollte nicht als ein Ziel, welches es zu erlernen gilt, betrachtet werden, sondern als der Weg, wie man sich weitere Kompetenzen aneignet. Über den Weg der Musik zu denken, sie als Bildungsweg zu betrachten und ihren Stellenwert zu überdenken, das sehe ich als einen Auftrag für die zukünftige Entwicklung von Bildungsplänen und Erziehungsmethoden. Diese “Frühbildung” mit Einflüssen schon vor der Geburt prägen einen großen Teil unseres Verständnisses unserer Umwelt, der Menschen, mit denen wir interagieren und uns selbst.
Zur musikalischen (Früh-)Bildung zählt das (gemeinsame) “Singen, Musizieren, Pfeifen, Zwitschern, Tirilieren” (Text: Alle Vögel sind schon da), das Erleben von Musik durch Besuche in Kultureinrichtungen, Tanz, Bewegung und Rhythmik. Auch unsere moderne Welt hat sich der melodischen Abfolge von Tönen bereits in Alltagsgegenständen angepasst. Die Werbe- und Filmindustrie beschäftigt millionenschwere Produktionsfirmen, die sich mit der musikalischen Unterstreichung ihres Produktes beschäftigen und selbst in der Automobilindustrie sind Tontechniker tätig, die sich mit den (unter-)bewusst wahrgenommenen Klängen beschäftigen.
Warum solltest Du mit Deinem Kind Musik hören?
Die Hörerfahrung, die ich bereits erwähnt habe, erweitert und differenziert das gesamte Leben. Daher ist es notwendig, das Repertoire zu erweitern und sich neuen Werken zu öffnen. Darüber zu sprechen, ist gerade für Kinder spannend, wenn es um die Sprache geht. Es muss nicht immer Rolf Zuckowski sein. Eine spannende Diskussion kann auch bei klassischem Volksliedgut entbrennen. Was ist eine Schalmei? („Es tönen die Lieder“) Wie sieht das Instrument aus? Zu welcher Zeit ist das geschrieben? Wie haben die Menschen zu dieser Zeit gelebt? Wo wurde dieses Lied gesungen?
Kinder sind neugierig und gespannt auf alle neuen Dinge, die sich eröffnen. Um über die Musik sprechen zu können, legt man sich unbewusst ein neues Vokabular zu. Einerseits über den Text, aber auch über die Namen der Instrumente oder wie Musik aufgeschrieben und verbreitet wird. Ausgehend von dem Gedanken der Bildung ist es dabei nicht Voraussetzung, als Elternteil oder Erzieher selbst der Wissende zu sein, sondern gemeinsam mit den Kindern zu recherchieren. Dieser Prozess beinhaltet bereits Lernimpulse, die das Kind mitnimmt. Es erlebt, wie man sich Wissen aneignet, wer ein möglicher Ansprechpartner ist. Dabei vertieft sich das Verständnis über das Gehörte, verstärkt die Wahrnehmung und sensibilisiert für neue Eindrücke. Dein Kind lernt, dass es wichtig ist, hin- und zuzuhören.
Wie kannst Du mit Deinem Kind richtig Musik hören?
Umgekehrt steht die Frage: Wie ist es falsch? Eine laute Elsa in einer Begrüßungssituation hat zwar Präsenz, aber nicht den Mehrwert von bewusstem Hören. Sie einfach nur so im Hintergrund laufen zu lassen, wie es in Fahrstühlen und Supermärkten der Fall ist, trägt sicherlich zu einer Atmosphäre bei. Jedoch ist es aus meiner Erfahrung für Kinder besonders angenehm, bewusst über die Musik zu entscheiden und sich ihr auch zu widmen.
Dieses Widmen entsteht schon beim Lesen dieses Artikels über Musikalische Früherziehung bzw. Frühbildung. Und jetzt gebe ich Dir gern eine Anleitung, wie es funktionieren kann:
Schritt 1: Wähle die Musik, die Du mit Deinem Kind hören möchtest.
Hast Du eine Lieblingsmusik oder ein tolles Stück, das Du gern hörst? Emotional verbundene Musik ist für das bewusste Hören mit Kindern besonders geeignet. Als Elternteil oder Erzieher hast Du bereits eine Beziehung zu den Kindern. Sie suchen Trost, Orientierung und vertrauen Dir. Dich auch auf diesem Weg kennenzulernen, öffnet neue Perspektiven.
Wähle auch gern ein Stück aus einer besonderen Zeit, von einem anderen Kontinent oder einem anderen Kulturkreis aus, über die Du mit Deinem Kind oder der Gruppe sprechen kannst. Sprich auch mit anderen Eltern oder mit den Freunden Deines Kindes darüber. Unsere Gesellschaft und auch das Umfeld Deines Kindes ist differenziert, kulturell und vielfältig, auch in der Hörerfahrung. Das lässt sich in der Musik gut wiederfinden: Wie klingt jiddische Musik? Was macht Schwanensee so besonders? Welche Lieder singen die Kinder in Moskau?
Dein Kind liebt Prinzessinnen oder Ritter? Perfekt! Auch historische, klassische Musik oder ursprüngliche Musik der ersten Menschen ist nicht nur musikalisch eine reizvolle Erfahrung.
Besonders beliebt sind Musikstücke, die eine wechselnde Struktur vom Schnellen zum Langsamen bieten oder Tiermotive in sich tragen. Viele Komponisten haben sich mit Orchestern, kleineren Gruppen oder einzelnen Instrumenten mit der Darstellung von Tieren beschäftigt. Ob nun Elefanten, Hummeln, Pinguine oder Fische. Bei Youtube gibt es zahlreiche Musikbeispiele und klassische Musik für Kinder.
Schritt 2: Was ist Dir an Deiner Musik besonders wichtig?
Du hast jetzt Dein Musikstück. Nun gilt es zu überdenken, worauf Du Dich konzentrieren möchtest. Eine kleine Auswahl möchte ich Dir dazu an die Hand geben:
- Die Emotion, das Gefühl, welches das Stück auslöst. Freude? Traurigkeit? Glück?
- Verbindest Du damit eine bestimmte Erinnerung? Ist dieses Stück vielleicht Dein Lied zum Hochzeitstanz? Oder möchtest Du von Deinem Kind hören, woran es bei dieser Musik denkt oder was es glaubt, was in dieser Musik passiert?
- Möchtest Du Dich mit den Kindern aktiv bewegen oder Dein Kind dazu bewegen lassen? Soll es die Musik direkt in den Körper umsetzen?
- Möchtest Du bewusst auf den Rhythmus achten? Oder auf ein Instrument? Fällt Dir besonders der Wechsel der Tempi auf und möchtest Du darauf den Fokus legen?
Diese strukturelle Unterscheidung ist für das bewusste Hören eine Möglichkeit, sich dem Stück zu nähern und es “richtig” zu hören. Gern kannst Du natürlich bei mehrmaligem Hören auf andere Themenbereiche besonders achten. Vielleicht springt Dir etwas sofort ins Ohr und anderes erst nach mehrmaligem Wahrnehmen. So ähnlich geht es auch Deinem Kind.
Schritt 3: Wo willst Du Deine Musik mit Deinem Kind hören?
Um Musik bewusst zu vermitteln, ist die Aufmerksamkeit Deines Kindes die elementare Voraussetzung. Daher solltest Du Dir Gedanken über mögliche Ablenkungen während des Hörerlebens machen. Können Unbeteiligte den Raum betreten und ablenken? Stören andere Medien, beispielsweise der Fernseher? Ist ein abgedunkelter Raum passend?
Weiterhin solltest Du auf eine gute Wiedergabe Deiner Musik achten. Der Reiz eines alten Schallplattenspielers etwa verleiht “Der Zauberflöte” von Wolfgang Amadeus Mozart besonderen Charme. Ist die CD in einem guten Zustand? Wie sieht es mit dem Abspielgerät aus? Reicht seine Leistung für die Größe des Raumes? Können alle Zuhörer die Musik gleich gut wahrnehmen?
Schritt 4: Wie soll Dein Kind das Hörerlebnis wiedergeben? Möchtest Du die Musik mit einer Aufgabe oder Frage begleitet hören?
Diesen Schritt biete ich Dir als Option an, da auch die freie Auswahl ohne direkte Aufgabe oder Frage das Hörerlebnis ermöglicht. Möchtest Du jedoch auf etwas Besonderes hinweisen oder ein bestimmtes Ziel erreichen, gebe ich Dir hier ein paar Ideen, wie Du herangehen kannst (aber es gibt natürlich noch viele weitere Ansätze).
- Malen zur Musik – ein klassischer und sehr beliebter Weg. Dabei kannst Du Dir Deine Absicht wieder vor Augen führen: Soll Dein Kind das Gefühl aufmalen, das es beim Hörgenuss erlebt oder die Geschichte, die es sich dazu vorstellt?
- Zeige mir, wenn Du die Geige spielen hörst! – Wie wäre es, wenn sich die Kinder auf verschiedene Instrumente konzentrieren und sich entsprechend bewegen, ein Tuch schwingen oder auf ein vorbereitetes Bild mit dem Instrument zeigen, wenn es erklingt.
- Mit weichen Tüchern zur Musik bewegen lassen.
- Eine Geschichte erzählen, nachstellen oder Handlungsabläufe weiterdenken.
Für den Weg ist es entscheidend, ob Du Deine Aufgabe vor dem ersten Genuss der Musik stellst, danach oder beim wiederholten Hören. Wichtig finde ich den letzten Schritt für das richtige Hören.
Schritt 5: Dein Kind hat die Musik gehört – Und nun?
Dieser Schritt ist nicht nur für die Musikalische Früherziehung ein elementarer Bestandteil der Entwicklung Deines Kindes. Der Austausch über das Erlebte ermöglicht eine bildungsfreundliche Umgebung und fördert die Kompetenzentstehung und -entwicklung Deines Kindes.
Sprecht nach dem Genuss der Musik darüber, was ihr gehört habt. Stelle dabei offene Fragen, in denen Dein Kind nicht nur mit Ja oder Nein antworten kann, sondern sich frei äußern darf. Beispielsweise: Wie hat es sich für dich angefühlt? Erinnert sie dich an etwas? Gab es etwas, was dich überrascht hat? Bewerte die Aussage nicht und frage lieber erneut nach.
Fazit
Die Förderung Deines Kindes funktioniert über die Kommunikation und das Bewusstsein über Bildungserlebnisse. Sei mutig! Kinder sind vielfältig und besonders, so auch Du! Dein Musikgeschmack spricht vielleicht nicht jedes Kind an, aber das ist bei uns Erwachsenen doch nicht anders. Sei offen für Vorschläge aus dem Team, der Kinder, der Eltern. Hören muss man üben, aber der Mehrwert ist für alle ein besonderes Erlebnis. Und vielleicht wird Dein Lieblingslied einmal zu einer besonderen Erinnerung Deines Kindes.
Viel Freude beim Hören!