Morgenkreis im Kindergarten – In sechs einfachen Schritten zu Deinem perfekten Morgenkreis
Vollkommene Stille senkt sich über den großen Raum, eine Stecknadel könnte man fallen hören. 72 bunt verkleidete Kinder und Erwachsene warten mit Spannung auf die Enthüllung des Geheimnisses in der kleinen Schachtel, die in der Mitte des Kreises liegt. Leise klingt eine zarte Melodie aus ihr und behutsam hebt die geflügelte Erzieherin eine kleine Spieluhr hervor. Die Melodie der Mozart’schen Zauberflöte zieht den gesamten Raum in seinen Bann und lächelnd beginnen die Kinder, diesen besonderen Tag mit Gitarrenklängen zu begrüßen.
Bei einem Einsatz für Happyjobber kam es zu diesem besonderen Moment, als es durch eine Erkrankung zu einem Noteinsatz für den großen Morgenkreis kam und ich diesen selbst durchführen sollte. Im Nachhinein hat mich das Team angesprochen, ob es eine Methode gibt, an der ich mich orientiere und wie ich sie umsetze. Daher teile ich heute mein entwickeltes Konzept “RASTAR” mit Dir und hoffe, dass es auch Dir die Möglichkeit verschafft, einen perfekten Morgenkreis umzusetzen.
Was ist ein Morgenkreis?
Unter einem Morgenkreis versteht man eine Zusammenkunft der Kinder mit pädagogischer Betreuung, bei der zielgerichtet pädagogische Inhalte vermittelt werden. In den pädagogischen Einrichtungen hat man dabei ähnliche Vorstellungen, wie er inhaltlich ablaufen soll, jedoch wird er meist stiefmütterlich behandelt und auch kritisch beäugt. Einerseits ergibt sich dies aus dem Gefühl, viel Aufwand und Vorbereitung hineinstecken zu müssen und andererseits aus dem altertümlichen Bild der erzwungenen Teilnahme, bei der alle Kinder steif auf einem Stuhl sitzen und der Erzieherin zuhören müssen.
Dabei kann ein Morgenkreis der Höhepunkt des Alltags in der Kindertagesstätte sein, bei dem alle Kinder begeistert teilnehmen, neue Entdeckungen machen, sich austauschen und Gemeinschaftlichkeit leben. Sie fühlen sich willkommen, gehört und angenommen. Ein perfekter Morgenkreis ermöglicht dies und dazu möchte ich Dir verhelfen. Der Pädagoge fungiert dabei als Moderator des Morgenkreises, als Anleitung und Ideengeber.
Wie führt man einen perfekten Morgenkreis durch?
Perfektion anzustreben, ist Teil unserer modernen Kultur und in unserem menschlichen Idealismus begründet. Wir möchten gern alles richtig machen, entwickeln Ansprüche an uns und suchen nach dem ultimativen Weg, unsere Ziele zu erreichen.
Auch im Bereich der Pädagogik hat sich dieser Gedanke verbreitet – nicht umsonst steigen die Umsätze im Bereich der Elternratgeber, die Auflagenzahl für Magazine über die richtige Erziehung und der Anteil von Sendungen über die Thematik “Wie erziehe ich richtig?” Vor der Kindertagesstätte macht dieses Streben ebenfalls keinen Halt, denn auch hier finden Konkurrenzdenken und Selbstoptimierung statt, was als Nebenwirkungen des perfektionistischen Ansatzes zu verstehen ist.
Sicherlich ist es gut, über Rahmenbedingungen zu sprechen und seine Fähigkeiten zu erweitern, doch das Streben nach Perfektion stellt sich immer stärker in den Hintergrund, je mehr Interaktion mit Kindern stattfindet. Perfekt zu sein, heißt daher, sich von der Perfektion zu verabschieden. Befreie Dich von dem Druck, dass es immer makellos werden muss. Wer bewertet das denn?
Wenn Du mit Deinem Morgenkreis unzufrieden bist und das Gefühl hast, die Kinder zu langweilen, dann gebe ich Dir heute das Werkzeug in die Hand, mit dem Du Dich reflektieren kannst. Du hast dann ein Konzept, an dem Du Dich orientieren kannst und das Dir ermöglicht, den Morgenkreis so zu gestalten, wie es für Deine Kinder und Dich angenehm ist.
Das RASTAR-Konzept
Du willst Deinen Morgenkreis neu und abwechslungsreich gestalten?
Dann präsentiere ich: Das RASTAR-Konzept (mit Anleitung). Für Krippe, Kindergarten, Hort. Folge den Schritten zu Deinem neuen Morgenkreis!
Nach meinem entwickelten Konzept bereite ich seit mehreren Jahren meine Morgenkreise vor und führe sie entsprechend durch. Diese sechs einfachen Schritte stelle ich Dir nachfolgend vor und nach diesen solltest Du Dich richten, wenn Du ab jetzt Deine Morgenkreise durchführst.
Schritt 1: [R]aum. Entdecke die Chancen!
Dieser Punkt ist der Grundbaustein für alle Deine Morgenkreise, da es notwendig ist, sich mit der Konzeption und den Rahmenbedingungen auseinanderzusetzen. Schaue Dich in Deiner Einrichtung und in Deinem Gruppenraum um und bewerte sie nach folgenden Gesichtspunkten: Möglichkeiten und Einschränkungen. Können sich die Kinder frei bewegen? Ist für jeden genug Platz? Ist das Licht ausreichend? Und: Können andere Kinder stören? Lenkt etwas die Aufmerksamkeit auf sich?
Bereite den Kreis ansprechend für die Kinder vor. Ich gestalte gern die Mitte des Kreises mit thematisch passender Dekoration oder Materialien, die ich im Verlauf des Morgenkreises benötige. Zum einen gibt es so Orientierung, wo sich die Mitte befindet und zum anderen weckt es die Neugierde der Kinder auf das bevorstehende Erlebnis.
Überlege Dir, welche Sitzmöglichkeiten zur Verfügung stehen. Auf Stühlen braucht jedes Kind etwas mehr Platz als auf Sitzkissen. Investiere gern in einen runden Teppich oder Sitzmöglichkeiten, auf denen sich die Kinder wohlfühlen! Ihre Aufmerksamkeit ruht vielmehr auf dem Geschehen, wenn sie genug Raum haben und gern auf ihrem Platz verweilen.
Schritt 2: [A]blauf. Ein bisschen Struktur hat noch niemandem geschadet.
Wie möchtest Du den Morgenkreis ankündigen? Ich empfand es immer als unangenehm, wenn die Erzieherin oder Kindergruppen durch den Raum rufen. Der Klang eines Instrumentes oder eine Melodie, die sich rituell stets wiederholt und als Signal den anstehenden Tagespunkt ankündigt, ist für Kinder und Pädagogen angenehmer. Wie wäre es, wenn Du mit Deiner Gruppe herausfindest, wie ihr es ankündigen wollt? Vielleicht kann es wechselnd ein Kind oder eine Kindergruppe nutzen, um zum Morgenkreis zu rufen?
Weiterhin haben alle Deine (zukünftigen) Morgenkreise eine innere Struktur, die Deiner Gruppe und Dir als Orientierung vorgegeben sein sollte. Der Ablauf erfolgt in drei Abschnitten: Einstieg – Hauptteil – Abschluss.
Aus meiner Sicht benötigt in der Interaktion mit Kindern der Einstieg den größten Anteil in der Vorbereitung. Hier ist das Ziel, dass die Kinder ankommen, sie sich auf den Morgenkreis einlassen und Ihre Aufmerksamkeit bei Dir liegt. Besonders passend finde ich ein Willkommen, bei dem jedes Kind namentlich im Kreis begrüßt wird. Das fördert zusätzlich das Wohlbefinden. Vielleicht singst Du gern oder magst Fingerspiele.
Schau Dich im Internet um oder nutze einen Kollegen als Inspirationsquelle. Es gibt die vielfältigsten Ideen und einige an der Hand zu haben, bei denen Du Dich wohlfühlst, gibt Dir Sicherheit. Scheue Dich nicht, mehrmals den gleichen Einstieg zu wählen. Rituale geben den Kindern Orientierung und das Vertraute zu Beginn ermöglicht Entspannung.
Im Hauptteil legst Du den Fokus auf das langfristige Ziel, das Du mit Deiner Gruppe erreichen willst. Hierbei ist es wichtig, dass Du den Morgenkreis als eine Methode siehst, Deine Gruppe zu fördern und vor allem als eine Möglichkeit, mit der Aufmerksamkeit aller zu arbeiten. Dieser Zeitraum ermöglicht, dass Du viele Kinder bei Dir hast und eine direkte Rückmeldung erhältst, in welche Richtung sich die Dynamik entwickelt. Als Hilfe: Stelle Dir die Frage, warum Du Dich jetzt mit den Kindern zusammengesetzt hast und was Du heute, nächste Woche, am Ende des Kita-Jahres erreichen möchtest.
Der Abschluss Deines Morgenkreises sollte von einem Ausblick begleitet sein, was im Anschluss passiert. Findet Dein Kreis vor einer Mahlzeit statt oder ist im Anschluss ein Angebot geplant? Frage nach, was die teilnehmenden Kinder nach dem Morgenkreis tun möchten, wenn er beispielsweise in eine Freispielzeit übergeht. Beende den Morgenkreis ebenfalls mit einem Ritual, beispielsweise mit einem Fingerspiel oder einem Abschlusslied.
Das Entwickeln von Ritualen hat auch in anderen Bereichen mit Kindern einen essentiellen Anteil. Sie fördern Gemeinschaft, Orientierung und das Gefühl von Sicherheit. Die Kinder haben diese stets dankbar angenommen und auch entsprechend weiterentwickelt. Oft erlebte ich, dass beispielsweise die Begrüßungs- und Abschlusslieder in Rollenspielen oder in anderen Tagesstrukturen von ihnen aufgegriffen wurden, um ein Spiel zu beenden oder die Eltern zu begrüßen. Schaue gern einmal genauer mit Deiner Gruppe oder gemeinsam mit dem Team auf Deinen Tagesablauf. Habt ihr auch wiederholende Anteile, die für die Kinder einen wichtigen Bestandteil darstellen? Gibt es Möglichkeiten, mit den Kindern welche zu entwickeln?
Schritt 3: [S]ituation. Vorsprung durch Flexibilität.
Bei der Situation zeigt sich das wichtigste Prinzip in der täglichen Arbeit und natürlich auch beim Morgenkreis: Nichts ist in Stein gemeißelt! Gehe immer davon aus, dass sich selbst die schönste Planung und Vorbereitung jederzeit in Luft auflösen kann. In der Praxis hast Du sicherlich längst die kleinsten und größten Veränderungen erlebt – das Geburtstagskind bleibt an seinem Tag im Kreise der Familie, dem Eingewöhnungskind fällt der Abschied heute schwer oder die Kollegin ist erkrankt und Du musst aushelfen. Unseren Beruf machen gerade diese Veränderungen so interessant und lebhaft.
Wichtig ist daher für Deinen Morgenkreis: Bleib flexibel, um situativ handeln zu können!
Schritt 4: [T]hema. Mach den Morgenkreis zu Deinem Morgenkreis.
Dieser Teil füllt Deinen Morgenkreis mit Leben! Du weißt, wo Dein Morgenkreis stattfindet, wie das Gerüst dafür ist und wie die Situation an diesem Tag sein wird oder gerade ist. Nun kannst Du kreativ werden! Wichtig ist, sich auf ein bis maximal zwei Themen zu beschränken und stets die Situation im Blick zu behalten: Hast Du noch die Aufmerksamkeit der Kinder?
Thematisch solltest Du Dir mit Deiner Gruppe und/oder Deinem Team einen Plan entwickeln, welche Themen Du langfristig anschauen möchtest. Sie geben Dir eine grobe Orientierung für das gesamte Kita-Jahr und Du kannst jederzeit darauf zurückgreifen. Passende Themen ergeben sich beispielsweise aus der Natur (Jahreszeiten, Baumbeobachtungen), Zeitstrukturen (Datum, Wochentage, Uhrzeit), der Lebenssituation der Kinder (Berufe der Eltern, Wohnraum) oder dem Menschen (Körperteile, Individualität, Lebenszeit). Auch die Geburtstage der Kinder sollten in diesem Plan vorkommen und ein Ritual entwickelt werden, wie dieser besondere Tag im Morgenkreis aufgenommen wird.
Diese langfristigen Themen werden unterbrochen durch situative Themen mit unterschiedlicher Länge, die sich aus der aktuellen Situation der Kinder, der Gruppe oder der Erzieher ergeben (beispielsweise durch die Geburt eines Geschwisterkindes, Umzug, Mutterschutz einer Gruppenerzieherin). Gerade für die nächsten Tage, in denen Du jetzt den Morgenkreis so umsetzt, aber auch immer wieder in der Zukunft, solltest Du Dir die Zeit nehmen, verstärkt auf die Situationen der Kinder zu achten und zu erleben, was sie beschäftigt. Hat ein Kind am Wochenende etwas Spannendes erlebt? Beschäftigt sie gerade ein Erlebnis zuhause? Gibt es Spannungen in der Gruppe oder tauschen sie sich vermehrt über eine Thematik aus?
Nimm diese situativen Themen und gehe damit gern auch durch alle Bildungsbereiche. Interessiert sich Deine Gruppe gerade für die Eiskönigin und Elsa? Wie wäre es mit einer Bewegungsgeschichte im Morgenkreis? Oder ein Klangspiel? Vielleicht bist Du musikalisch und schreibst mit den Kindern einen neuen Text für eines der Lieder? Oder ihr experimentiert mit Eis. Lass Dich inspirieren von den Kindern und Deiner Kreativität freien Lauf. Gerade der Morgenkreis ist ideal, um kleine Ausflüge in einen Bildungsbereich mit dem Ausgangspunkt eines der Themen der Kinder zu nehmen, da der Großteil der Gruppe anwesend und die gesamte Aufmerksamkeit vorhanden ist.
Schritt 5: [A]bwechslung. Nie wieder Langeweile im Morgenkreis!
Dieser Punkt bringt die Würze in Deinen Morgenkreis und von der “Langeweile” kannst Du Dich verabschieden. Baue in Deinen Morgenkreis einen Wechsel von An- und Entspannung ein. Beobachte dabei, wie die Gruppe darauf reagiert und ob die Wechsel schneller passieren sollten. Sind heute alle zappelig beim Vorlesen? Dann lass Deine Kinder sich frei bewegen und wieder zur Ruhe finden. Nutze auch die Anschaulichkeit. Je jünger Deine Gruppe ist, desto mehr solltest Du mit Materialien arbeiten, die diesen Schritt unterstützen. Zeige Bilder, Fingerpuppen, Naturmaterialien, die zu Deiner Thematik passen. Möchtest Du ein neues Lied vorstellen? Drucke Dir passende Bilder dazu aus.
Begleite den Morgenkreis durch Deine Stimme und Deine Person. Nutze die ganze Bandbreite der menschlichen Stimmgewalt, vom Flüstern bis zum Donnerwetter! Trau Dich und singe ein paar Zeilen, wenn Dir die Aufmerksamkeit fehlt. Du hast Dein Gerüst und Dein Thema, dann baue Dir einen roten Faden, der sich für die Kinder durch den Morgenkreis zieht und Dich durch die drei Abschnitte begleitet. Besonders beliebt waren dabei Alltagsbegegnungen, die Du schon einleiten kannst mit: “Wisst ihr, was heute Morgen passiert ist?”. Daran kannst Du, wie an einen roten Faden, Dein Lied anhängen, die Aktivität im Hauptteil, den Schluss, die Gedanken der Kinder.
Ein wichtiger Punkt zum Thema Abwechslung ist die Stille. Ein Leitgedanke dazu: Vor dem Ton ist die Stille. Aus der Stille entsteht die Aufmerksamkeit, der Fokus auf das Geschehen. Gib Deinen Kindern die Möglichkeit, die Stille zu spüren und zur Ruhe zu finden. Vielleicht stellst Du zum Einstieg eine Sanduhr in die Mitte und lässt die Kinder so zur Ruhe kommen? Oder Du steigst mit einer Aktivität ein, die mit der Stille endet? Oder Frau Stille kommt Euch besuchen? Methodisch ist da keine Grenze gesetzt. Nimm die Stille als Deine Unterstützung an und lass die Kinder diese genießen.
Schritt 6: [R]egeln. So viel wie nötig, so wenig wie möglich!
Kein Spiel funktioniert ohne Regeln oder Vereinbarungen. Sprich mit den Kindern darüber und vereinbart gemeinsam, wie ihr den Kreis gestalten möchtet. Dabei ist es ebenso wichtig, dass vereinbarte Regeln auch ausprobiert werden. Vielleicht wird es eine Zeitlang funktionieren, wenn einige zwischendrin aufstehen, wiederkommen und wieder gehen. Aber die Erfahrung wird Deine Kinder zu einem Ergebnis führen. Wichtig ist hierbei ebenfalls, die Flexibilität zu bewahren.
Überlege Dir, wie Du mit den Vereinbarungen umgehen möchtest. Vielleicht möchten Deine Kinder es gern optisch sehen können, vielleicht reicht ihnen eine mündliche Vereinbarung. Reagiere dabei ebenfalls situativ und beobachte, welche Regeln Sinn machen. Je jünger die Kinder, desto mehr sollte man sich darüber Gedanken machen.
Zwei Regeln empfehle ich jedoch in jedem Fall:
Entscheidet Euch vor der Durchführung des Morgenkreises, wer der Moderator ist und wechselt ihn maximal zwischen zwei Personen. Die Kinder benötigen diese Orientierung. Bei älteren Gruppen ist es auch möglich, dass ein Kind die Rolle des Moderators einnimmt und mit Unterstützung die Morgenkreissituation durchführt.
Der Morgenkreis findet freiwillig statt. Überlege Dir, wo und wie sich die Kinder betreut betätigen können, die nicht teilnehmen möchten. Der Morgenkreis bringt den Kindern und Dir deutlich mehr Freude, wenn alle Kinder motiviert dabei sind und aktiv teilnehmen.
Für Dein Ziel kennst Du jetzt den Weg
Übung macht den Meister. Auch die Durchführung von Morgenkreisen ist nicht sofort erlernbar. Du hast jetzt das Prinzip in der Hand und damit ein Werkzeug, das sich auch in Deiner Gruppe anwenden lässt.