Sprachförderung durch Bewegung – Die Bedeutung von Sprache im Zusammenhang mit kindlicher Entwicklung
„Die Grenzen meiner Sprache sind auch die grenzen meiner Welt“ – Ludwig Wittgenstein
In der Kita sollen die Kinder Unterstützung erhalten, Alltagskompetenzen zu entwickeln und damit auf das spätere Leben bestmöglich vorbereitet zu werden. Davon bin ich fest überzeugt.
Wir leben in einer Zeit großer und schneller Veränderungen. Das digitale Zeitalter verändert bereits jetzt unsere Art zu kommunizieren, unser Zusammenleben, die Arbeitswelt und Vieles mehr. Es gibt nur wenige Bereiche, die davon ausgenommen sind. Dabei haben wir streng genommen die Schwelle eben erst überschritten. Künstliche Intelligenzen, virtuelle Realitäten oder das Internet der Dinge beispielsweise werden in wenigen Jahren Vieles grundlegend verändern. Viele Berufsgruppen werden verschwinden, programmieren zu können wird immer elementarer. Die Art unserer Bildung und Ausbildung wird sich verändern.
Doch auch im Kommunikationszeitalter muss man sprechen können, um in Austausch gehen zu können. Deshalb möchte ich heute etwas zum Thema Sprachförderung durch Bewegung schreiben. Ein Auszug aus dem Berliner Bildungsprogramm:
„Immer differenzierte Bildungsprozesse erfordern immer differenzierte Ausdrucksweisen, die ohne sprachliche Mittel kaum zu treffen sind.“ ¹
Ein wichtiger Punkt ist für mich die allumfassende Bedeutung von Sprache im Zusammenhang mit kindlicher Entwicklung. Für die Entwicklung zahlreicher Kompetenzen hat die Sprache eine Schlüsselposition inne. Wenn sie nicht sogar der Schlüssel überhaupt ist.
Ich sehe deshalb sprachliche Förderung und Bildung von Kindern als eine meiner Kernaufgaben in meinem täglichen Handlungsfeld als Erzieher. Auch im Berliner Bildungsprogramm wird dies klar genannt und eingefordert. Weiter heißt es dort, dass sich die sprachlichen Kompetenzen des Kindes, vor allem durch die selbstständige Aneignungstätigkeit des Kindes in der Familie, der Kita und der Umgebung des Kindes entwickeln würden. Besonders in Handlungen und Dialogen, die für sie selber Sinn machten, die sie gemeinsam mit anderen ausübten, lernten Kinder sprechen. Ihre Aufmerksamkeit gelte dabei nicht den Äußerungen selbst, sondern vor allem dem, was wahrgenommen, geäußert und verstanden werden würde.²
¹ Preissing, Christina u.a.: Berliner Bildungsprogramm, Weimar-Berlin, 25.06. 2014, Verlag das Netz, S.16
² Vgl. Preissing, Christina u.a.: Berliner Bildungsprogramm, Weimar-Berlin, 25.06. 2014, Verlag das Netz, S.102
Was möchte ich mit diesem Artikel erreichen?
Die strukturellen Rahmenbedingungen die mir mein Arbeitsplatz bietet, empfinde ich als sehr gut und halte diese so nicht für selbstverständlich. Die Kita verfügt, trotz innerstädtischer Lage, über einen sehr großen Außenbereich. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass so manche Einrichtung zum Beispiel ohne eigenen Garten auskommen muss. Im Konzept des Kindergartens wird als einer der Schwerpunkte Bewegung genannt. Im Vergleich des Konzeptes mit der gelebten Praxis ist mir aufgefallen, dass das Bewegungsangebot noch ausbaufähig ist. Gerade in Anbetracht solch guter Rahmenbedingungen. Ich habe deshalb schon recht früh den Beschluss gefasst, diese Lücke zu schließen.
In der Kita lernen und spielen Kinder aus mehr als 30 Nationen. Für viele der Kinder die zu mir in die Kita kommen, ist die deutsche Sprache etwas bis dahin nicht Erlebtes, etwas ganz Neues. Nicht selten sprechen beide Elternteile eine andere Sprache als Deutsch. Diese sogenannten DaZ-Kinder, DaZ steht hier für Deutsch als Zweitsprache, brauchen ganz gezielte Förderung und dafür setze ich mich täglich ein.
Die immer wieder von mir beobachtete natürliche Bewegungsfreude bei Kindern ist dabei eine fantastische Möglichkeit, auf spielerische Art und Weise Sprache zu vermitteln. Dieses Potential gilt es aus meiner Sicht als pädagogische Fachkraft im Alltag unbedingt zu nutzen.
Was bedeutet Sprache eigentlich?
„Die Grenzen meiner Sprache sind auch die Grenzen meiner Welt“ ¹
Diese Aussage des Philosophen Ludwig Wittgenstein ist nun schon fast 100 Jahre alt und bringt es für mich dennoch auf den Punkt. Es zeigt für mich eine im Sinn versteckte Doppeldeutigkeit auf. “Die Grenzen meiner Sprache“ kann sich auf meine eigenen Fähigkeiten beziehen, eine Sprache zu beherrschen. Somit kann dieses Zitat als Mahnung und Hinweis verstanden werden. Eine zweite mögliche Bedeutung kann so angelegt sein, dass nach der Meinung von Wittgenstein, jede Sprache an sich begrenzt ist, beziehungsweise nur begrenzte Möglichkeiten hat.
Und dennoch, wir alle leben in einer Gesellschaft die so komplex ist, wie keine andere je zuvor auf diesem Planeten. Sprache ist hier der Schlüssel zur Welt. Informationen überhäufen jeden Einzelnen von uns und stehen zunehmend mehr Menschen rund um die Uhr zur Verfügung. Zurückblickend war dies nicht immer so. Über sehr lange Zeiträume hinweg, bezogen auf die wissenschaftlich angenommene Dauer der Existenz menschlichen Lebens, genauer seit Beginn der Hochkulturen, waren Informationen und Wissen, welches über die Sicherung des Lebensunterhaltes hinausging, immer nur einer kleinen Elite vorbehalten, während der allergrößte Teil der Bevölkerung in der Landwirtschaft tätig war und die Grundversorgung aller absicherte. Das Zeitalter der Informationsgesellschaft bricht meiner Meinung nach den vielfach belegten und zugleich fatalen Zusammenhang zwischen Bildung und Wohlstand, Armut und Bildungsfern, im Sinne einer Verbesserung der Chancengleichheit, etwas auf. Es wird absehbar eine neue, globale Mittelschicht geben. Der Dreh- und Angelpunkt, die fundamentale Voraussetzung für Teilhabe, an beinahe allem ist und bleibt jedoch die Sprache. Philosophisch betrachtet, war der tatsächliche Beginn der Informationsgesellschaft vielleicht der Zeitpunkt, an dem unsere Vorfahren allmählich begonnen haben, Sprache zu verwenden. Doch wofür steht Sprache und was bedeutet das für uns?
Die menschliche Sprache ist eine spezifische Kommunikationsfähigkeit des Menschen. Durch die Sprache hat er die Möglichkeit, auch sehr komplexe Sachverhalte zu durchdenken, mit anderen zu teilen und darüber in Austausch zu gehen. Natürlich erfolgt Verständigung auch non-verbal mittels Zeichen- oder Gebärdensprache, Mimik oder unter Verwendung von Gestik. Dennoch bleiben diese Möglichkeiten immer relativ begrenzt. Darüber hinaus ist Sprache ein Kulturgut. Mittels Sprache können Menschen Absichten und Gefühle mitteilen. Sprache dient der Herstellung von Kontakt zwischen der äußeren Welt und dem Bewusstsein. Über das Medium Sprache sind Menschen in der Lage, weiteres Wissen zu erwerben. Um Erfolg in der Schule und später in der Ausbildung oder im Berufsleben zu haben, ist es deshalb unverzichtbar sich mit anderen verbal verständigen zu können. Die Praxis im Wirtschafts- und Arbeitsleben zeigt sogar, dass, gerade im beruflichen Kontext, teilweise inzwischen sogar mehrere Sprachen hilfreich, beziehungsweise erforderlich sind, um erfolgreich tätig sein zu können. Gemeint ist hier der Erwerb von Fremdsprachen, die im täglichen Leben an sich nicht zwingend notwendig sind.
Sprache bedeutet somit direkte und indirekte Teilhabe an der Gesellschaft. Durch Sprache ist das Individuum in der Lage, Beziehungen zu anderen aufzubauen, auszubauen und diese über die Zeit zu erhalten. Zusammenfassend kann man sagen, dass eine Voraussetzung für ein glückliches und erfülltes Leben, der gelungene Erwerb von Sprache ist.
[1] Wittgenstein, Ludwig: Tractatus logico-philosophicus, Kegan u.a., Trubner & Co, London, 1922, S.5
Wie hängen Sprache und Bewegung zusammen?
„Bewegung und Sprache gehen ineinander über – sie beeinflussen sich gegenseitig. Bewegung begleitet das sprachliche Handeln, Sprache begleitet das Bewegungshandeln.“[1]
Wer bei dem Begriff Lernen an die Schule denkt, assoziiert damit nicht selten Stillsitzen und Aufpassen, während vorne an der Tafel der Frontalunterricht abgespult wird. Und dieser Gedankengang liegt auch nicht so fern, denn bis vor wenigen Jahren wurde Unterricht in großen Teilen so praktiziert. Weitläufig war man sich zu großen Teilen einig, dass das der richtige und einzige Weg ist. Die meisten von uns Erwachsenen waren ein Teil dieser so gelebten Bildungskultur.
Inzwischen weiß man aus der Hirnforschung, dass genau das Gegenteil der Fall ist, um effizient lernen zu können. Die kognitive Leistung des menschlichen Gehirns wird durch Bewegung angeregt und verstärkt. Studien haben belegt, dass dies sowohl für Kinder als auch für Erwachsene gilt, ja sogar für ältere Menschen. Für mich persönlich liegt das im Grunde genommen auch auf der Hand, denn der Mensch ist in seiner Gesamtheit ein komplexes, biologisches Lebewesen. Zahlreiche Prozesse in seinem Inneren erzeugen wiederum zahlreiche Wechselwirkungen. Nichts geschieht ohne Grund oder Wirkung. Es wäre also geradezu unlogisch und auch ein wenig ignorant, diese Einheit auszublenden oder aufzuspalten, in beispielsweise Körper und Geist, bzw. körperliche und kognitive Leistungen. Renate Zimmer bezeichnet die herkömmliche Schule mit traditionellen Sitzunterricht ohne Bewegungspausen als eine Missachtung des Körpers. Bewegung hilft Kindern also beim Lernen, denn durch Bewegung sind Kinder wacher und dadurch aufmerksamer, das körpereigene Belohnungssystem wird aktiviert. Dies hat günstige Auswirkungen auf das Wohlbefinden und steigert die Leistungsfähigkeit. Ein Kind, das sich bewegen durfte, entwickelte laut Zimmer dann auch wieder das Bedürfnis nach Ruhe. Weiterhin kann der Mensch in jeder Altersstufe seine Befindlichkeit durch Bewegung verbessern. Die Befindlichkeit eines Menschen wiederum hat entscheidenden Einfluss auf die Lernfähigkeit von Menschen.[2]
Wir wissen jetzt, dass auch der Geist und nicht nur der Körper durch Bewegung trainiert wird. Der Gebrauch von Sprache und Motorik stehen dabei immer in gegenseitiger Wechselwirkung. Auch das Sprechen selbst ist eine motorische Handlung, die sehr komplexe Bewegungsabläufe erfordert.[3] Im Leben eines Menschen sind dabei die ersten Lebensjahre von besonderer Wichtigkeit und Bedeutung. Hier werden die Weichen gestellt, denn es werden die Grundlagen für das weitere, lebenslange Lernen geschaffen. Ich betrachte eine positive Sprachentwicklung deshalb als eine absolute Voraussetzung für eine gelungene Gesamtentwicklung von Kindern.
[1] Zimmer, Renate: Handbuch Sprachförderung durch Bewegung, Freiburg u.a., 2010, Herder, S.109
[2] Vgl. http://www.renatezimmer.de/wp-content/uploads/2011/07/bewegung-tut-der-sprache-gut.pdf, Obrist, Monika: Bewegung tut der Sprache gut – Interview mit Renate Zimmer, PDF zum Download, Januar 2009, S.2
[3] Vgl. Zimmer, Renate: Handbuch Sprachförderung durch Bewegung, Freiburg u.a., Herder, 6. Auflage 2013, S.91
Aus Bewegungshandlungen werden Sprachhandlungen
Vor einigen Jahren habe ich im „Kinderhaus“ für einige Tage im Bereich der jüngsten Kinder unseres Hauses ausgeholfen. Hintergrund war hier ein Personalengpass, der dadurch etwas abgemildert wurde. So ergab sich für mich die Gelegenheit, neue Aspekte zum Thema Spracherwerb in der Praxis zu beobachten. Die Kinder, die dort betreut werden, sind in der Regel zwischen 10 Monaten und eineinhalb Jahren alt. Kontaktaufnahmen der Kinder zum Erzieher erfolgen in dem Alter entwicklungsgemäß oft über Gegenstände, die das Kind dem Erwachsenen anbietet. Hier habe ich eine gute Möglichkeit erkannt, den Gegenstand zusammen mit dem Kind zu betrachten, um dann, in meiner Rolle als Sprachvorbild, die jeweiligen besonderen Eigenschaften zu beschreiben, wie zum Beispiel die Farbe oder die Größe. Im Vergleich zu einem anderen Gegenstand gleicher Art, können so verschiedene Farben benannt werden. Eine tolle Möglichkeit der Wortschatzerweiterung für das Kind. In der Auseinandersetzung mit Materialien können auch die physikalischen oder sonstigen Eigenschaften eines Gegenstandes zusammen besprochen werden. Zum Beispiel: Der Ball ist leicht und rund. Seine Farbe ist Gelb. Ich habe beobachtet, wie die kleinen Kinder die Eigenschaften und Beziehungen der Gegenstände untereinander erforschen, während sie sich mit diesen auseinandersetzen. Was bedeutet es, wenn etwas rollt? Der große rote Ball rollt los, wenn man ihm einen leichten Stoß gibt. Ich habe beobachtet, dass die Kinder nach Gegenständen schlagen, diese greifen und loslassen, sie in den Mund nehmen oder werfen. Sprachbegleitetes Handeln und handlungsbegleitende Sprache unterstützt die Kinder bei der Begriffsbildung. Das Sprachverständnis und der Wortschatz können, je nach Entwicklungsstand, aufgebaut, erweitert oder differenziert werden. Deshalb ist es aus meiner Sicht von sehr großer Wichtigkeit, dass Erzieher in ihrer Grundhaltung so eingestellt sind, dass sie dem Kind gegenüber immer möglichst aufmerksam sind. Sie sollten mittels ihrer Sprache die Abläufe oder Ereignisse, an denen beide teilnehmen, situativ angemessen beschreiben, beziehungsweise kommentieren oder auch erklären.
Wie kann ich im Alltag Bewegungsanlässe als Sprechanlässe verstehen und initiieren?
Das in der Teilüberschrift genannte Wort „verstehen“ meine ich so ganz wörtlich. Ich habe erkannt, dass in beinahe jeder Situation im Alltag Sprache gefördert werden kann. Und das liegt ja auch nahe, wenn man bedenkt, dass eben auch die Sprache selbst, permanent Teil unseres Lebens ist. Eine Unterteilung in Lern- Spiel- und Essenzeiten lehne ich deshalb ab.
Als ein Beispiel hierfür möchte ich die Vesper benennen. Die Vesper ist eine kleine Zwischenmahlzeit, die jeden Tag gegen 14:30 Uhr den Kindern meiner Gruppe gereicht wird. In der Regel handelt es sich dabei um Obst, meist in Verbindung mit einer sättigenden Beilage, wie zum Beispiel eines belegten Brotes. Jeden Tag haben drei andere Kinder Tischdienst. Sie decken dann die Tische teils selbstständig, teils unter Hilfestellung der Erzieher. Diese Tätigkeit macht den Kindern viel Spaß. Begleitet man das Handeln sprachlich, ist es, besonders für Kinder mit Migrationshintergrund und Sprachentwicklungsverzögerung, eine wertvolle Gelegenheit neue Wörter und Zusammenhänge zu erlernen.
Ein anderes Beispiel ist das gemeinsame Zähneputzen. Hier gibt es tolle Zahnputzlieder, die die Kinder motivieren und gleichzeitig auf sprachlicher Ebene neue Wörter, Zusammenhänge und Erklärungen transportieren. Ein Lied, was die Kinder meiner Gruppe sehr mögen und ich im Alltag gerne verwende, ist der Zahnputzsong vom Zahnmedizinischen Zentrum Berlin, der bei YouTube leicht zu finden ist.
Das Fußballspielprojekt
Ich nenne es Fußballspielprojekt, da es laut Renate Zimmer wesentliche Merkmale typischer Projektarbeit trägt. Diese Merkmale sind der Situationsbezug, die Orientierung an den Interessen der Beteiligten, flexible Planung bzw. ein offener Verlauf, die handelnde Auseinandersetzung mit der Wirklichkeit und eine längerfristige Beschäftigung.[1]
Wie kam es dazu?
Ich habe beobachtet, dass in der Kindertagesstätte in der ich arbeite mit Bällen gespielt wurde. Das geschah in regelmäßig auftretender Form und es waren meist dieselben Kinder. Daraus habe ich Interesse der Kinder am Thema abgeleitet. Der Ball wurde durch die Gegend getragen, geworfen, es wurde auf das Tor geschossen, seltener wurde auch einander zugespielt. Die Kinder die dort spielten, stritten häufig aus verschiedenen Gründen miteinander. Nicht selten endete das in körperlicher Auseinandersetzung. Ich habe mich einige Male an der Situation beteiligt, um Informationen zu sammeln. Wenig später beschloss ich, eine Fußballspielgruppe als festes Angebot in den Kitaalltag einzubringen. Das Angebot besteht heute noch immer. Jedoch hat es, infolge der zurückliegenden Einschulung, aktuell einen anderen Charakter.
Nur die wenigsten Kinder auf dem Platz waren Teil meiner Bezugsgruppe. Über das Fußballspiel gelang es mir jedoch innerhalb kurzer Zeit, die Beziehung zu allen Kindern zu verbessern und zu vertiefen. Die Kinder wurden aufmerksamer und es entstand ein neues positives Klima auf dem Platz. Vor allem habe ich darauf geachtet, dass die Kinder stets mit Spaß und Freude dabei waren, denn ich wollte den Kindern unbedingt eine positive Einstiegserfahrung ermöglichen. Die Haltung der Kinder in der Zukunft, auch als Erwachsener zum Thema Sport, Körper und Gesundheit, würde davon entscheidend mitbestimmt und geprägt. Deshalb standen die Regeln für mich zunächst im Hintergrund. Dennoch habe ich als Spielleiter von Anfang an drei Dinge festgelegt, die ich vor jedem Spiel immer wiederholt habe. Diese drei Regeln waren die Voraussetzung für das Gelingen:
Wir sind hier, weil wir alle zusammen Spaß haben wollen.
Wir gehen vorsichtig miteinander um, tun uns nicht absichtlich weh.
Die Verwendung der Hand ist nicht erlaubt, nur der Torwart darf das.
Bei der folgenden Dienstbesprechung habe ich also mit dem Team dazu gesprochen. Ich habe ihnen meine Beobachtungen mitgeteilt und vorgeschlagen, eine Fußballspielgruppe ins Leben zu rufen. Alle begrüßten den Vorschlag und signalisierten Unterstützung.
Das Angebot Fußballspielgruppe, habe ich an alle interessierten Kinder im Alter zwischen vier bis sechs Jahren adressiert. Leider musste ich die Zielgruppe so einschränken, um die körperlich-physische Balance zwischen den Kindern zu gewährleisten. Die Kombination von Mädchen und Jungen ist mir jedoch später gelungen, was nicht einfach war, und worauf ich auch ein wenig stolz bin. Neben der Sprachförderung an sich, habe ich viele weitere förderliche Aspekte entdecken können. In der Tabelle habe ich einen Auszug davon zusammengestellt:
[1] Vgl. Zimmer, Renate: Die Sinneswerkstatt. Projekte zum ganzheitlichen Leben und Lernen, Freiburg u.a.; Herder 1997, S.36
Zusätzliche förderliche Aspekte
Neben den oben aufgezeigten förderlichen Aspekten, haben wir, ausgehend vom Fußballspielen, neue gemeinsame Sprachthemen für uns entdeckt. Die Kinder lernten neue Begriffe aus der Sportwelt, wie z.B. das Wort Freistoß. Wir haben auch über Fouls und deren möglichen Folgen, wie Verletzungen, gesprochen. Im Laufe des Projektes ergab sich eine eigene Dynamik, die Kinder lernten verstärkt voneinander.
Übersicht über zusätzliche förderliche Aspekte herunterladen (PDF)
Dann brachte ein Kind ein Sammelalbum mit, in dem Mannschaften Flaggen und Länder abgebildet waren. Das haben wir uns immer und immer wieder zusammen angesehen. Dabei haben die Kinder wirklich viele Fragen gestellt. Wenn ich die Regeln erklärt habe, war es mir immer sehr wichtig diese zu begründen. Die Begründung ist aus meiner Sicht wichtig, damit die Kinder zu einem mehr Hintergrundwissen erlangen und zum anderen Verständnis entwickeln.
Einer der bisherigen persönlichen Höhepunkte für mich, aber auch für die Kinder, war die Teilnahme an einem Kita-Fußballturnier in der Nachbarschaft. Voraussetzung hierfür war die im Verlauf des Projektes erlangte Platzreife meiner Mannschaft.
Weitere Beispiele der alltagsintegrierten Sprachförderung
Bewegungsspiele geben Kindern die Möglichkeit, sich körpersprachlich auszudrücken. Auf diese Weise sind sie über die Aktivitäten in die Gemeinschaft eingebunden. In kleineren Gruppen wird den Kindern außerdem die Beteiligung erleichtert. Die Möglichkeit, an gemeinsamen Aktivitäten teilhaben zu können, vermittelt ein Gefühl von Zugehörigkeit und Sicherheit. Gerade für Kinder, die sich sprachlich noch nicht so gut einbringen können, sind kontinuierliche Bewegungsangebote deshalb eine große Hilfe. Darüber hinaus tragen Bewegungsspiele dazu bei, die Freude am Sprechen zu aktivieren, weil sie zur spontanen Produktion von Tönen und Geräuschen anregen, was die Lautbildung unterstützt. Kinder, die das Sprechen vermeiden, können hier positive Erfahrungen machen, weil bei Bewegungsspielen nicht direkt auf die Sprache geachtet wird. Das ist eine gute Basis, um in geschütztem Rahmen mit anderen zu kommunizieren, ohne das Gefühl zu haben, nicht mithalten zu können.
Die Sprachenvielfalt in meinem Kindergarten sehe ich als große Ressource und Herausforderung zugleich. Auch die Kinder meiner Gruppe haben sehr voneinander abweichende Sprachkompetenzen und benötigen deshalb unterschiedliche Förderung. Auch ist der Altersunterschied innerhalb der Gruppe erheblich. Es gibt unglaublich viele Möglichkeiten, die Sprachentwicklung der Kinder täglich zu fördern. Bilderbücher und Vorlesebücher, das ritualisierte gemeinsame Aufsagen von Tischsprüchen oder Singen, ja auch das Sprachlerntagebuch sind einige gute Beispiele dafür.
Daneben haben sich aus der Sicht der bewegungsorientierten Sprachförderung zahlreiche weitere Formen und Arten bewährt. Die Kinder lieben Bewegungsspiele, Kreisspiele oder Tanzspiele. Die bewegungsorientierte Sprachförderung bietet mir als Erzieher die Möglichkeit die oben genannten, sehr unterschiedlichen Kompetenzen, etwas zu überbrücken. Ich kann also Angebote gleichzeitig an große Teile der Gruppe adressieren und hole dennoch alle ab. Ganz gleich welches Niveau sprachlicher Kompetenz sie haben. Unabhängig von Fähigkeiten oder Fertigkeiten kann jedes Kind bedingungslos teilnehmen. Den Umfang bestimmt das einzelne Kind dabei selber. In der Literatur gibt es zahlreiche Beispiele, die sich meist sehr einfach in der Praxis anwenden lassen. Viele Spiele oder Angebote sind schon sehr alt und ähnlich wie klassische Märchen volkstümlicher Herkunft. Ich achte bei der Auswahl darauf, dass es möglichst keine Verlierer oder Gewinner gibt. Mit etwas Fantasie können schnell abgewandelte Versionen entworfen und ausprobiert werden. Bewegungsspiele können aus einfachsten Mitteln improvisiert werden. Sie sind überall da anwendbar, wo ausreichend Platz ist.
Das Ende sollte man als Spielleiter ruhig gestalten. Während die Kinder etwas trinken, lese ich ihnen meist etwas vor.
Ausflüge mit den Kindern der Kita
Kinder lernen vor allem das, wofür sie sich interessieren. Das konnte ich in der Praxis live beobachten.
Ich unternehme zu jeder Jahreszeit und bei jedem Wetter Ausflüge mit den Bezugskindern. Bei wirklich schlechtem Wetter kann man in Museen fahren, wie das Naturkundemuseum oder das Deutsche Technikmuseum. Während unseres Postprojektes in der Kita, haben wir das Museum für Kommunikation besucht und eine Postkutsche bestaunt. Manche Museen bieten nach vorheriger Anmeldung sogar spezielle Führungen für Kinder an. Diese habe ich sehr zu schätzen gelernt, denn hier haben die Kinder meist die Möglichkeit, Dinge anzufassen oder auszuprobieren.
Besonders hier haben die Kinder die Möglichkeit ihren Wortschatz zu erweitern und neue Sachkompetenzen zu erwerben.
Viele Kinder meiner Kita haben infolge des Umstandes, dass sie in einer Großstadt leben, nur eingeschränkt die Möglichkeit von Naturerfahrungen. Erzieher wissen aufgrund ihrer Ausbildung, dass das Fehlen solcher Erfahrungen, sich sehr negativ auf die Entwicklung von Kindern auswirken kann. Neben Museen besuche ich mit den Kids deshalb auch viele Naturorte. So waren wir zum Beispiel im Grunewald, Plänterwald, Tiergarten, Kleistpark, auf dem Schöneberger Südgelände, am Havelstrand, auf dem Teufelsberg oder sind mit der BVG-Fähre auf dem Wannsee gefahren und haben Wasservögel beobachtet, gefüttert und uns darüber sprachlich ausgetauscht.
Zusammenfassend möchte ich feststellen, dass Ausflüge den Kindern umfassende Möglichkeiten bieten, neue Kompetenzen zu erwerben oder weiterzuentwickeln. Ich sehe deshalb bei Unternehmungen, die außerhalb der, den Kindern sehr vertrauen, Kita stattfinden, neben der Sprachförderung auch die großartige Chance viele neue Sachkompetenzen, Ich-Kompetenzen, und Sozialkompetenzen zu erwerben. Über die vielseitigen visuellen, taktilen oder auditiven Reize und Eindrücke, die die Kinder bekommen, kann man vor Ort direkt in Austausch gehen. Als positives Zeichen auf dem richtigen Weg zu sein, bewerte ich für mich die Tatsache, dass die Kinder viele Fragen zu den Dingen stellten, die sie interessierten. So ist es möglich, in einen lebendigen und echten Austausch zu gehen. Dabei kann über praktisch alles gesprochen werden, was wahrgenommen wird. Auch die Interaktion in der Kindergemeinschaft selbst wird angeregt. Eine Fahrt in der S-Bahn oder mit der U-Bahn ist für viele Kinder etwas ganz Aufregendes. Mit manchmal hoher Begeisterung werden Dinge angesprochen, die bei einem Blick aus dem Fenster gesehen werden. Ich erinnere mich zum Beispiel an die Reaktion der Kinder, auf die zahlreichen Drachen auf dem Tempelhofer Feld, welche wir im Vorbeifahren von der Ringbahn aus gesehen haben. Aus solchen Situationen entstehen dann nicht selten wieder neue Themen oder Interessensgebiete bei den Kindern.
Ich habe die Unternehmungen als tolle Chance für intensive Sprechanlässe kennengelernt und für mich als wirksames Instrument für die Sprachförderung begriffen. Lebendiger kann Pädagogik kaum sein.